Wohlfahrtsstaat

Wohlfahrtsstaat
Wohl|fahrts|staat 〈m. 23Staat, in dem jeder Bürger od. ein großer Teil der Bürger freie Gesundheitsfürsorge, Renten u. andere zur Wohlfahrt gehörende Leistungen erhält

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Wohl|fahrts|staat, der (Politik, häufig abwertend):
Staat, der mittels Gesetzgebung u. sonstiger Maßnahmen für die soziale Sicherheit, das Wohl seiner Bürger Sorge trägt.

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Wohlfahrts|staat,
 
im weiteren Sinn ein Staat, der für das Wohlergehen seiner Bürger mehr und teilweise anderes tut als der Rechtsstaat. Der Wohlfahrtsstaat ist nicht nur Garant von Recht und Ordnung, sondern greift zur Herstellung sozialer Sicherheit und Chancengleichheit gestaltend in die gesellschaftlichen Verhältnisse ein und entspricht insoweit dem Sozialstaat (Ähnliches meint der englischen Ausdruck »welfare state«). Mit dem Begriff des Wohlfahrtsstaats verbindet sich aber stärker die Vorstellung des umfassend fürsorgenden und auch bevormundenden Staates. - In einem kritischen Sinn wird der Wohlfahrtsstaat als Versorgungsstaat verstanden, der um der allgemeinen Wohlfahrt, besonders der sozialen Sicherheit der unteren Schichten willen die volle Macht der Sozialgestaltung für sich in Anspruch nimmt und in dem die den Einzelnen bevormundenden Züge deutlich ausgeprägt sind. Während der soziale Rechtsstaat versucht, Sicherheit und Freiheit gleichgeordnet zu verbinden, ist der Versorgungsstaat in diesem Sinn in Gefahr, die persönliche Freiheit der Sicherheit und der staatlich definierten Wohlfahrt nachzuordnen.
 
In der Volkswirtschaftslehre wird mit Wohlfahrtsstaat eine Form der Marktwirtschaft bezeichnet, die über das Konzept der sozialen Marktwirtschaft hinaus durch eine erhebliche staatliche Beeinflussung der marktwirtschaftlicher Selbststeuerung (Interventionismus) gekennzeichnet ist, um Ziele wie Vollbeschäftigung, soziale Sicherheit und soziale Gerechtigkeit zu erreichen (»gemischte Wirtschaftsordnung«). Die Vielfalt staatlicher Umverteilungs- und Lenkungsmaßnahmen führt zu einer erheblichen Regelungsdichte (verbunden mit Bürokratisierung) und zu einem Anwachsen des öffentlichen Sektors (z. B. gemessen an staatswirtschaftlichen Quoten) mit negativen Auswirkungen auf marktwirtschaftliche Dynamik und Flexibilität (Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit), Preisniveaustabilität (»Anspruchsinflation«) und Leistungsbereitschaft (z. B. Ausweitung der Schattenwirtschaft aufgrund hoher Belastungen mit Steuern und Sozialabgaben). Hingewiesen wird auch darauf, dass der Wohlfahrtsstaat nicht durch einen Ausgleich zwischen Verteilungs- und Leistungsprinzip gekennzeichnet ist, sondern dass besonders in Politik und Gesellschaft das Umverteilungsziel die Leistungsorientierung dominiert. Ursachen dafür sind u. a. der Erfolgszwang politischer Entscheidungsträger, Wählerstimmen durch gruppen- beziehungsweise branchenspezifische Sondervergünstigungen zu erlangen, beziehungsweise der wachsende Einfluss organisierter Interessengruppen auf die Parlamente. Als Grundmodell des Wohlfahrtsstaats wurde lange Zeit die Sozialpolitik sozialdemokratischer Regierung in Großbritannien und Schweden betrachtet.
 
Vom modernen Wohlfahrtsstaat ist der absolutistische Polizei- und Wohlfahrtsstaat zu unterscheiden, ein Verwaltungsstaat, in dem es als Recht wie als Pflicht des Staates galt, durch Fürsorge und notfalls mit Zwang das Gemeinwohl und die individuelle Wohlfahrt zu fördern.

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Wohl|fahrts|staat, der (Politik, häufig abwertend): Staat, der mittels Gesetzgebung u. sonstiger Maßnahmen für die soziale Sicherheit, das Wohl seiner Bürger Sorge trägt: Immer weniger Menschen haben Arbeit und können den W. finanzieren (Woche 18. 6. 99, 35).

Universal-Lexikon. 2012.

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